Chronik - 650 Jahre Zernien

Mit der Ortschronik aus der Feder von Lars-Oliver Schulz und Otto Puffahrt blickt die Gemeinde Zernien auf ihre mindestens 650 Jahre alte Lokalgeschichte zurück. Dieses äußert sorgfältig erarbeitete Werk über die Ortsentwicklung im alten Lüneburgischen Amt Dannenberg bzw. Hitzacker und im 1534 begründeten Kirchspiel Riebrau von ursprünglich nur zwei Höfen (Schultze und Sprantz) bis zu 862 Einwohnern enthält eine erstaunliche Fülle von wissenswerten Informationen mit 328 Fotos, 54 Landkarten, 123 sonstigen Abbildungen und 68 Faksimiles.

650 Jahre Zernien

Beginnend mit der ersten urkundlichen Erwähnung Zerniens von 1360, seiner vorzeitlichen Besiedlung und bescheidenen, dem Landesherrn dienst- und abgabenpflichtigen Bevölkerung in sandiger, wasserarmer Lage an der Bundestraße 191 im Landschaftsschutzgebiet "Elbhöhen-Drawehn", wird er Dreißigjährige Krieg mit seinen örtlichen Folgen beschrieben und an die berühmten Göhrdejagden erinnert. Löhne und Preise von 1719, die alten Maße, Gewichte und Währungen werden im Einzelnen aufgeführt. Den Straßen, Wegen und der Eisenbahn von Uelzen nach Dannenberg von 1924 mit dem Bahnhof in Zernien und dem benachbarten Viadukt bei Pudripp sowie der kleinen Gemeindeverwaltung sind weitere Kapitel gewidmet. Es folgen die alten Höfe und die jüngeren Hausstellen in Zernien mit ihren Besitzern und deren Landwirtschaft. Zur Franzosenzeit von 1803 bis 1813 mit dem Sieg ihrer Gegner an der Göhrde gibt es unter anderem Auszüge aus der 2008 erschienenen entsprechenden Forschungsarbeit Stephans von Welk.

Die Zeiten der beiden Weltkriege mit Ihren zahlreichen Gefallenen sind mit Details und persönlichen Erinnerungen auch später Befragter nachzulesen. Die Kirchen und Schulen in Riebrau und Gülden, deren Pastoren und Lehrern ebenso vorgestellt sind wie die moderne Mittelpunkt-Grundschule von 1962 in Zernien.

Etwa die zweite Buchhälfte gilt dem rasch wachsendem Dorfleben nach 1945 mit seinen Neubauten zugezogener Vertriebener, den örtlichen Vereinen, Einrichtungen und Betrieben. Eine Zeittafel Zernien mit nach Jahren aufgelisteten Ereignissen von 1360 bis heute beendet die 157 Kapitel umfassende, professionell erstellte Chronik. Das dreiseitige Inhaltsverzeichnis und die im Text jeweils präzise angegebenen Fundstellen machen ein Register und Literaturverzeichnis entbehrlich. Ein weit über das Dorf hinaus beachtliches Werk von allgemeinem Interesse.

Das Buch können sie zu einem Preis von 35,- € über die Gemeindeverwaltung Zernien beziehen. Oder direkt über den Autor: Lars-Oliver Schulz, Lipser Moor 9, 29499 Zernien, (Tel.: 05863-468; E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Leseprobe 1:

Besiedlung - Woher wir kamen

Ganz siedlungsleer war der Raum Zernien vor Jahrtausenden nicht. Es mögen sich Bevölkerungsgruppen auch sporadisch auf Zeit niedergelassen haben, aber von Jägern und hütewandernden Gruppen dürfte die karge, mit Heide und wenigen Bäumen bestandene Hohe Geest ebenfalls berührt und durchquert worden sein. Die Geschichte der Besiedelung unserer Region lässt sich zeitgeschichtlich nicht gänzlich lückenlos, nur anhand einzelner Funde, recht gut nachweisen.

Um dem Leser einen ersten Überblick über die Besiedelung Norddeutschlands, letztlich auch unserer Heimat, zu vermitteln, wird nachfolgend auf einen Artikel von Dr. Harald Lübke (Archäologisches Landesmuseum und Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern) zurückgegriffen:

Jäger, Fischer und Bauern – Nordostdeutschland in der Steinzeit (12.700-2.000 v. Chr.)

Als älteste der drei archäologischen Hauptperioden der menschlichen Kultur-geschichte reicht die Steinzeit in Afrika bis weit in die Frühzeit der Menschwerdung vor mehreren Millionen Jahren zurück. In Norddeutschland lässt sich die Anwesen-heit des Menschen allerdings nur bis an den Beginn der Spätphase der letzten Eis-zeit vor ca. 15.000 Jahren zurückverfolgen, da alle älteren Siedlungsspuren durch die bis nahe an die Elbe reichenden Gletschermassen der letzten Eiszeit überprägt wurden. Die ersten Menschengruppen, die am Ende der letzten Eiszeit um 12.700 v. Chr. in einer ersten Wiedererwärmungsphase, dem Meiendorf-Interstadial, das Gebiet im südlichen Ostseeraum wiederbesiedelten, waren auf die Rentierjagd spezialisiert. Ihre wichtigste Jagdwaffe war die Speerschleuder.

Diese Menschen gehörten zur so genannten Hamburger Kultur, die wie viele andere Kulturgruppen nach dem Ort benannt ist, an dem deren Fundstätten erstmals nachgewiesen wurden. Aus dem Raum zwischen Elbe und Oder sind bislang nur wenige Einzelfunde dieser Rentierjägerkultur bekannt. Die vollständige Wiederbesiedelung des Landes setzte erst ab 12.000 v. Chr. im Alleröd-Interstadial ein, als durch ein zunehmend feuchteres Klima die trockene, mit Zwergbirken bestandene Tundra durch Kiefern-Birkenwälder verdrängt wurde. Durch die veränderten Umweltbedingungen mussten auch die Menschen ihr Jagdverhalten ändern und sich auf das Erlegen des im Wald lebenden Standwildes wie Wisent, Ur, Elch oder Rothirsch spezialisieren. Aber auch der wenig später ausgestorbene Riesenhirsch wurde noch von ihnen gejagt. Als Jagdwaffen kamen sowohl Speer als auch Pfeil und Bogen zum Einsatz. Diese Menschen gehörten zu zwei verschiedenen Kulturgruppen, deren Verbreitungsgebiete sich in Norddeutschland überschneiden. Die nach einer typischen Pfeilspitzenform benannten Federmessergruppen waren mehr südlich verbreitet, während die zu den Stielspitzengruppen zählende Bromme-Kultur vor allem im heutigen Südskandinavien vorkam. Um 10.800 v. Chr. kam es zunächst noch einmal zu einem heftigen Kälterückschlag, der Jüngeren Dryas, die in Norddeutschland zu einer erneuten Ausbreitung einer Tundrenlandschaft und zur Rückkehr der Rentierherden führte. Die Rentierjäger dieser Zeit gehörten zur Ahrensburger Kultur, die aufgrund charakteristischer Pfeilspitzenformen zu den Stielspitzengruppen gezählt wird.

Erst mit der endgültigen Wiedererwärmung um 9.600 v. Chr. setzte unsere heutige Warmzeit, das Holozän, ein. Entlang der gesamten südlichen Ostseeküste breiteten sich wieder Wälder aus. Allerdings brauchten vor allem die großen kälteempfindlichen Laubbäume noch sehr lange, bis sie sich von ihren eiszeitlichen Rückzugsstandorten in Südost- und Südeuropa wieder nach Norddeutschland ausbreiten konnten. Durch die nach und nach einwandernden Baumarten war die Pflanzenwelt ständigen Veränderungen unterworfen. In einer ersten Phase, dem Präboreal, waren in Norddeutschland bis etwa 8.300 v. Chr. vor allem Birken- und Kiefernwälder verbreitet. Im nachfolgenden Boreal wurden diese zunächst von der Hasel verdrängt, die zeitweilig große Buschwaldbestände bildete. Mit Beginn des Atlantikums wanderten schließlich mit Ulme, Linde und Eiche die ersten großen Laubbäume ein; es entstanden ausgedehnte lichte Eichenmischwälder. Etwa um 3.700 v. Chr erreichten mit Buche und Hainbuche auch die letzten großen Baumarten Norddeutschland, so dass im folgenden Subboreal zunehmend Buchenwälder das natürliche Landschaftsbild bestimmten.

Kulturgruppen

Die ständigen Veränderungen der Vegetation haben sich auch auf die Tierwelt und somit auf die Ernährungsmöglichkeiten der Menschen ausgewirkt. Deshalb entwickelten die Jäger und Sammler im älteren Mesolithikum zwischen 9.600 und 6.500 vor Chr. ein sehr variables Jagdverhalten, das je nach Landschaftstyp und Jahreszeit das vielfältige Angebot der Natur auszunutzen verstand. Zur Jagdbeute zählten nun vor allem Rothirsch, Reh und Wildschwein, außerdem auch Elch und Auerochse. Hinzu kamen Pelztiere wie Fuchs, Dachs oder Marder. Weiterhin bereicherten Haselnüsse, Wildobst, Wurzeln, Knollen, Pilze, Beeren, aber auch Vogeleier und Kleintiere den Speisezettel. Eine wichtige Nahrungsquelle war der Fischfang, der nicht nur aktiv mit Fischspeer und Angelhaken, sondern auch passiv mit Stellnetzen aus Pflanzenbast betrieben wurde.

Für die Jagd wurden vor allem Pfeil und Bogen verwendet. Die Pfeilspitzen waren nicht mehr mit einer einzelnen Feuersteinspitze versehen, stattdessen dienten aus schmalen Klingen hergestellte und mit Birkenteer an die Schäfte geklebte Mikrolithen („kleine Steine“) als Spitzen oder als seitliche Widerhaken.

Ab ca. 6.500 v. Chr. wurden die Menschen mit einer weiteren drastischen Umweltveränderung konfrontiert, die durch das Abschmelzen der eiszeitlichen Gletschermassen verursacht wurde. Durch das im Gletschereis auf den Kontinenten gebundene Wasser lag während der Eiszeit der Weltmeeresspiegel etwa 120 m unter heutigem Niveau. Durch das nacheiszeitliche Abschmelzen stieg der Meeresspiegel wieder rasant an und erreichte um 6.000 v. Chr. einen Stand zwischen 25 und 20 m unter heutigem Niveau. Dadurch konnte das Weltmeer über die dänischen Sunde in das Ostseebecken eindringen und weite Teile der norddeutschen Küstenregion überfluten. Erst als der Meeresspiegel um 4.000 v. Chr. bei ca. -2m unter heutigem Niveau lag, verlangsamte sich dieser Prozess.

Um 2.000 v. Chr. wurde erstmals annähernd der heutige Wasserstand erreicht. Diese Veränderungen führten dazu, dass die Menschen des jüngeren Mesolithikums ab 6.500 v. Chr. einerseits das in vielen Generationen gezeigte Jagdverhalten beibehalten und zusätzlich verstärkt Fischfang betreiben und andere marine Nahrungsressourcen erschließen konnten. Die Siedlungsplätze wurden nun in zunehmendem Maße an großen Flüssen und Seen angelegt, vor allem aber wurde die Meeresküste besiedelt. Diese Nahrungsvielfalt war der Garant für das Überleben auch größerer Menschengruppen an einem Ort. Für die Pfeile wurden nun Vierecke mit rhombischer oder trapezoider Form als Spitzen verwendet. Diese Schiefpfeile und Trapeze sind charakteristisch für das Spätmesolithikum zwischen 6.500 und 5.450 v. Chr.

Im nachfolgenden Endmesolithikum erfolgte eine Ablösung durch lang gestreckte querschneidige Pfeilspitzen, die bis weit in das nachfolgende Neolithikum die vorherrschende Pfeilspitzenform blieben. Zeitgleich mit dem Meeresspiegelanstieg breitete sich bereits ab 5.600 v. Chr. von Südosteuropa kommend eine neue Lebensform in Mitteleuropa aus, und auch in den Lössbörden-Landschaften des Mittelgebirgsvorlandes im südlichen Norddeutschland treten in dieser Zeit die ersten Pflanzenbauern und Viehzüchter auf, die zunächst der altneolithischen linearbandkeramischen Kultur angehörten. Diese wurde später von der stichbandkeramischen und der Rössener Kultur abgelöst. Obwohl verschiedene Importgegenstände dieser Kulturen intensive Kontakte mit den Menschen an der Ostseeküste belegen, erfolgte keine weitere Ausbreitung dieser Kulturen oder der neuen Wirtschaftsweise nach Norden. Lediglich im Odermündungsgebiet existierten zu dieser Zeit einzelne Vorpostensiedelungen dieser Kulturen. Die parallel zu den altneomesolithischen Bauernkulturen im Ostseeraum existierende Ertebølle-Kultur blieb hingegen eine stark auf Meeresressourcen ausgerichtete Fischer- und Jägerkultur. Erst um 4.500 v. Chr. kam es auch hier zu entscheidenden Veränderungen der Lebensweise, deren Ursachen bis heute nicht abschließend geklärt sind. Offensichtlich unter Einfluss der südlichen Bauernkulturen Michelberg und Gatersleben entstand aus der Ertebølle-Kultur die frühneolithische Trichter-becher-Kultur, die außer Pflanzenanbau in der Anfangsphase vor allem Viehzucht betrieb. Etwa 3.500 v. Chr. veränderten sich durch die neue Wirtschaftsweise auch das Siedlungsverhalten und die Bestattungssitten. Große, durch Wälle und Gräben abgegrenzte Erdwerke hatten vermutlich eine besondere politische und auch religiöse Bedeutung. Gleichzeitig kam es zur Errichtung von Megalithgräbern, in denen die Verstorbenen der jeweiligen Siedlungsgemeinschaften jahrhundertelang am selben Ort beigesetzt wurden. Die zeigt die enge Verbundenheit zwischen den Welten der Verstorbenen und der Lebenden.

Im weiteren Verlauf des Mittelneolithikums folgen dann die Kugelamphoren- und die schnurkeramische Einzelgrabkultur. Vegetationsgeschichtliche Studien zeigen, dass in letzterer vor allem der Ackerbau an Bedeutung verliert und wohl in stärkerem Maße Viehhaltung betrieben wird. Die Einzelgrabkultur wurde durch die Glockenbecher-Kultur abgelöst, bevor die Dolchzeit ab 2.000 v. Chr. schließlich den Übergang in die Bronzezeit einleitete.

(Dr. Harald Lübke, Archäologisches Landesmuseum und Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, aus: Die Autobahn A20 – Norddeutschlands längste Ausgrabung, S. 21-24, Schwerin 2005)

Es gibt einige wenige Zeugen aus dieser Zeit, so aus der Jüngeren Steinzeit (4.000 bis 2.000 v. Chr.) mit Riesensteingräbern Vaddensen, Gohlau und Hohenvolkfien (Kuckucksberg), die Hünenbetten bei Wietzetze, der Schälchenstein von Drethem wie auch die Hügelgräbergruppe im Meudelfitzer Grund, der Opferstein bei Plumbohm und wegen der Nähe zu Zernien das Hügelgrab bei Gülden mit 2,5 m Höhe und einem Durchmesser von 25 m.

(Lauer, Henry A.: „Archäologische Wanderungen in Ostniedersachsen. Ein Führer zu Geländedenkmälern“, Göttingen 1979, S. 90-114)
Das Güldener Hügelgrab ist allein durch seine Ausmaße in Größe und Umfang imposant anzuschauen. (Foto: Lars-Oliver Schulz)

Leseprobe 2:

Kirchengeschichte

Entstanden aus der einstigen Bedeutungslosigkeit Zernien, ergab sich frühzeitig die Situation, daß die Einwohner sowohl nach Gülden als auch nach Riebrau eingepfarrt wurden, ebenso wie die Schulkinder nach Breese an der Göhrde und Gülden eingeschult worden sind.

Alfred Kelletat teilt zur Kirche Gülden knapp mit:Ihrer mater combinata Riebrau in vielen verwandt. Erste Erwähnung einer Kapelle und des Pastors Clemens Wendel 1534. Der Fachwerkbau wurde 1786 durch den Zimmermeister Schmid aus Lüben errichtet: ein schmales Rechteck, über (später massivem) Westteil Dachreiter. Innen schlichte bäuerliche Ausstattung, Kanzelaltar der Erbauungszeit.“ Und zur Kirche Riebrau: „…Ein Lüneburgisches Pfründenregister von 1534 gibt erste Nachricht…Aus einem untergegangenen Dorf (Lutze vor der Göhrde) also ist die frühere Kapelle hierher (nach Riebrau) übertragen worden. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 -1648), unter dem das Dorf schwer zu leiden hatte, verbrannte auch die Kirche und wurde neu erbaut. Die heutige entstand 1760-63, ein regelmäßiger Fachwerkbau, Ecken im Osten abgeschrägt, mit Westturm… Bemerkenswert ist auch das Pfarrhaus von 1734.“

(Kelletat, Alfred: „Kirchen und Kapellen im Wendland“ in: Breeser Blätter 3, Breese i. Br. 1981, S.19 - 20, 34 - 35)
Kirche zu Riebrau

Im Kirchenbuch Riebrau von 1745 – 1817, S. 1-8 sind ge-schichtliche Nachrichten zu den Kirchen Gülden und Riebrau überliefert:

Die älteste Nachricht, die ich von der Pfarre zu Riebrau und Gülden habe finden können, ist gestellt von dem seel. Bernardo Ludeco, welcher zu der Zeit des 30-jährigen Krieges Prediger zu Gülden und Riebrau gewesen ist. Selbe Nachricht hat er eigenständig in das alte Kirchenbuch geschrieben und lautet ohnverändert so: Intraden oder Hebung der Kirchen Riebrau und Gülden.

1. Anlangend der Kirche Riebrau, so ist an Aecker, Wiesen und Baarschaft an Gelde nichts vorhanden, nur allein, was jährlich in denen hohen Festtagen alß Ostern, Pfingsten, Weynachten und Michaelis (29.9.) von frommen gutherzigen alda gegeben und durch die Juraten eingesammelt und alsbald im Beysein des Pastoren und der gantzen christl. Versammlung von denen Juraten in den Gottes Kasten richtig eingelegt, davon dem Pastoren jährlich eine Mark oder 12 ggr. (Gute Groschen) wovon er das gantze Jahr über durch und durch derselben Kirchen Brod und Wein halten muß und den beyden Juraten für ihre Aufwartung alten Gebrauch nach 12 ß (Schillinge). Was übrig, thut nicht viel bringen, wird von Jahren zu Jahren an der Kirchen und Pfarre durch die Caspelleute (Kirchspielleute) selbsten nothwendig verbauet und ausgegeben.

2. Die Capelle zu Gülden betreffend hat selbe gleichfalls weder Aecker, Wiesen noch Geld, besondern was die Kirchensammlung alß Ostern, Pfingsten, Weynachten und Michaelis thut bringen und desselben Orts von danckbahren Kirchkindern an Wolle und Flachß eingebracht und verehret wird, welches denn vor diesem derselben Kirchen jährlich soviel getragen,, daß sie allzeit davon gebessert und in ziemlichen Wohlstande erhalten worden und was sonsten fürgefallen in der Pfarre notwendig zu bauen und zu bessern, auch jährlich dem Pastorn davon gegeben für Brod und Wein derselben Kirchen zu halten 1 Rtlr. oder 12 ggr. Item auf das h. Fest zu Weynachten dem Pastori für 1 Bechel (Becher) voll Bier 5 Schillinge.

3. Folget die Hebung der gantzen Pfarre Riebrau alß 53 Scheffel Rogken und 53 Scheffel rauen Haber, so jährlich gehäufet werden. Denn eine jede Hufe deßselben Caspels (Kirchspiels) gibt einen Scheffel Rogken und 1 Scheffel rauen Haber (Rauhhafer).

Riebrau hat 5 Hufen, welche der Pastor zu Friedenszeit besäet und seine Nutzung durch Gottes Seegen davon nimmt. (N.B. Von diesen 5 Hufen hat die gnädige Herrschaft 1 Hufe der Pfarre verehret und beygelegt, laut des Churfürstl. Amts Buches in Hitzacker), Collaze 4 Hufen, Brese 5 Hufen, Brasche 4 Hufen. N.B. Sinitz (Zienitz) gibt nur 4 Pfennig und auf Michaelis 1 Schinken dazu 1 Brod und 30 Ostereyer. N. B. Der Krug zu Brasche gibt nichts denn 8 ß (Schillinge) und den Vierzeitenpfennig nach der Zahl derer, so zum Tisch des Herrn gehen und Brod und Eyer. Mehlfin 4 Hufen, Zuttland (Sudland) 3 Hufen, Cernien 3 Hufen, Timmeitz 4 Hufen, Prepau 3 Hufen, Midevitz 4 Hufen, Dromaze (Drummatz, wüst) 2 Hufen, Keddien 2 Hufen, Spranz 4 Hufen. Summa 54 Hufen.

Hierzu gibt ein jeder Hauswirth den 4 Zeit Pfennig und eine jegliche Person, so zum Tisch des Herrn gehet jährlich 4 Pfennig, so Wiegengeld genennet wird. Item Martius Blaffert, dafür der Pastor am Tage Martini Episcopi zu Riebrau predigen muß.

Das Güldensche Kirchspiel gibt auch ein jeder, so zum Tisch des Herrn gehet, jährlich 4 Pfennig Wiegengeld. Item so zum Rogken gehöret 1 ß (Schilling) nebst St. Thomas und Matthias Blaffert, dafür der Pastor in derselben Caspeln zu Gülden am Tage St. Thomae und St. Matthiae predigen muß und den 4 Zeit Pfennig.

Zwey Marck aus beyden Kirchen, davor der Pastor in beyden Kirchen, Brod und Wein das gantze Jahr über halten muß, 6 Gulden jährlich aus dem Zoll Lüneburgk, dreye auf Trium Regum (Neujahr) und dreye Joh. Baptiste (24. 6.).

N.B. Aus diesen 6 Gulden sind leider geworden 3 Rtlr. 19 ß 3 Pfg. und erfolgen nun aus dem Schatze zu Zelle, zwölf Marck aus dem Netzerlehn, so jährlich auf Michaelis fällig, 10 (?) aus dem Calande zu Lüchow.

Hierzu hat der Pastor die große Begnadigung von Sr. Fürstl. Gnaden von Hitzacker, daß er jährlich sein Feuerholtz aus der Göhrde bekommt, Heide und Weide in der Göhrde für sein Kuhvieh und für seine Schweine. Vier Fuder Heu aus dem Amte Hitzacker, so bisher von beyden Vögten befordert, auch den Acker, so nun umschwebender Pfarre gehörig denn zu der Pfarre weder Aecker noch Wiesen, besondern was bey der Pfarre um Zaun begriffen, gehöret sondern Sr. Fürstl. Gnaden nach Hitzacker zu.

Hat also der Pastor zu Riebrau von seiner von Gott wohlverantworteten hohen Obrigkeit sich mehr zu erfreuen, denn von seinem gantzen Kirchspiel. Gott der Allmächtige wolle solches Sr. Fürstl. Gnaden deroselben hertzvielgeliebten Gemahlin, jungen Herren und allen Fr. Verwandten reichlich wiederum erstatten mit langem Leben, glücklichen Regierungen, Erweiterungen Landes und Leuten und aller ersprießlichen Wohlfahrt am Leibe und Seele hier zeitlich und dort ewig. Amen.“

(NHStA Hannover Sign. Celle Br. 58 Nr. 270 “Inventare und Verzeichnisse über die Einkünfte der Geistlichen...”)

Wie bereits erwähnt, wurde die Kirche Riebrau ein Opfer des 30-jährigen Krieges und brannte ab. Sie muss aber schon vorher baufällig gewesen sein, denn mit Erlaubnis des Herzogs August jun. ist im Jahre 1616 eine Kollektensammlung zur Erbauung der neuen Kirche im Fürstentum Lüneburg durchgeführt worden. Herzog August hatte am 5. Juli 1616 einen Begleitbrief ausgestellt, mit dem die Sammler im Lande umherzogen. Darin steht, daß die Sammler aus einem „fast dürren und unfruchtbaren Gegend (kommen und die Kirche Riebrau) nimmermehr ohne guter Leuthe Hülfe wiederumb aufbauen könnten… Es wolle ein jeder nach seiner Gelegenheit zu Wiedererbauung dieser Kirche den armen Leuthen mit einer Hülfe beyspringen…“ Der Herzog August in Hitzacker bewilligte kostenloses Bauholz, Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg in Celle spendete 3 Thaler, Herzog Julius Ernst 6 Mark, seine Frau Sophia geb. Gräfin von Ostfriesland 4 Mark sowie allerhand weitere Geldbeträge aus Celle, Dahlenburg, Dannenberg, Lüchow, Bergen/D., Schnackenburg, Salzwedel, Seehausen, Gardelegen, Lüneburg, Hitzacker, Barskamp, Wustrow, Schnega, Uelzen, Oldenstadt, Hermannsburg, Bevensen, Müden/Örtze und Munster. Auch Adelige stifteten: Christoff von Hasselhorst, Parum v. Plato, Joachim v. Bülow auf Gudow und Wehningen und v. Wenckstern.

(NHStA Hannover: Sign. Celle Br. 58 Nr. 276 “Kollekten – Buch über dieSammlungen zum Wiederaufbau der Kirche zu Riebrau...1616”)

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